Alle Kinder in Deutschland aus der Armut zu holen ist eine historische Aufgabe

In der aktuellen Pandemie haben es Familien nochmal schwerer als ohnehin schon. Das erlebe ich selbst als Mutter von zwei Söhnen. Ich bekomme es aber auch mit, weil sich viele Menschen an mich wenden. Fast täglich bekomme ich Probleme geschildert. Da gibt es immer drei große Probleme.


Erstens wünschen sich Familien mehr Zeit füreinander und miteinander. Zweitens brauchen sie eine bessere Infrastruktur. Es gibt zum Beispiel den Wunsch nach mehr Ganztagsbetreuung in der Schule. Die Corona-Pandemie hat die Wichtigkeit dieser Infrastruktur nochmal unterstrichen. Homeoffice ist ja eine tolle Sache, aber nicht wenn ich mich gleichzeitig um die Kinder kümmern muss. Also brauchen wir mehr und bessere Kinderbetreuung. Und drittens wünschen sich Familien auch mehr Geld. In Deutschland sind Kinder ja bedauerlicherweise immer noch ein Armutsrisiko. Viele Kinder leben in Kinderarmut – und da rede ich nicht nur von Familien, die von Grundsicherung leben, sondern auch von vielen Eltern, deren Berufe zum Niedriglohnsektor gehören.

Armut von Familien prägt das Leben von Kindern

Die Auswirkungen von Armut spüren Kinder überall: Im Bildungs-, Kultur-, Sport und Freizeitbereich. Es gibt Kinder, die leben in Schleswig-Holstein und haben noch nie das Meer gesehen. Da fehlt das Geld für Urlaub. Es gibt Kinder, die die Einladung zu Kindergeburtstagen ausschlagen, weil kein Geld für Geschenke da ist, wenn es in einem Monat mehrere Feiern gibt.

Es gibt Kinder, die lernen kein Instrument, weil es zwar Unterstützungsangebote gibt, sich die Eltern aber dafür outen müssten und sie sich nicht als Bittsteller fühlen wollen. Es gibt Kinder, für die ist ein Ausflug in den Hansapark oder ins Kino nicht möglich. Das liegt nicht nur am Eintrittsgeld, die können sich nicht mal die Fahrt leisten. Wenn mein Sohn von Gettorf nach Kiel mit der Bahn fährt, kostet das zehn Euro, dazu das Eintrittsgeld und vielleicht etwas zu essen – das können sich viele Familien nicht leisten.

Die Familienpolitik vom Kopf auf die Füße stellen

Als SPD wollen wir das gesamte Unterstützungssystem für Kinder vom Kopf auf die Füße stellen. Das heißt: Nicht mehr hier Kindergeld, da Kinderzuschlag, dort das Teilhabe- und Bildungspaket. Das alles kommt aus unterschiedlichen Töpfen mit bürokratischem Aufwand – dieser Wust führt dazu, dass Familien gar nicht in Anspruch nehmen, was ihnen zusteht. Wir wollen stattdessen alle Familienleistungen zusammenführen. Man hat dann eine Ansprechstelle und muss nicht mehr von Pontius zu Pilatus laufen.

Mehr Geld für Familien durch die Kindergrundsicherung

Bei der Berechnung der Kindergrundsicherung gehen wir vom dem aus, was eine Familie mit Kindern braucht. Kein Kind soll in Armut aufwachsen. Nach unserer Planung erhalten Eltern für jedes Kind im Monat mindestens 250 Euro. Das bündelt alle Familienleistungen. Familien mit weniger Einkommen erhalten mehr Unterstützung. Der Höchstsatz soll bei ungefähr der doppelten Summe liegen. Maßgabe ist, dass alle Kinder aus der Kinderarmut kommen. Neben diesen Direktzahlungen gehören zu unsren Paket aber auch indirekte Leistungen.

Kostenfreie Bus- und Bahnfahren für alle unter 18 Jahren

Wir wollen auch die Infrastruktur für Familien verbessern. Das bedeutet: kostenfreie Kitas und flächendeckende Ganztagsbetreuung in der Grundschule. Außerdem wollen wir kostenfreies Fahren in öffentlichen Verkehrsmitteln für alle unter 18 Jahren.

Mehr Zeit und Flexibilität für Familien durch das Elterngeld akut

Familien wünschen sich mehr Zeit mit Kindern. Oft ist das nicht mit unserer aktuellen Arbeitswelt vereinbar. Die Pandemie zeigt gerade, dass es zu wenige Kindekrankentage gibt. Wir wollen die von zehn auf 20 freie Tage pro Elternteil beziehungsweise 40 Tage für Alleinerziehende erhöhen. Wir nennen das Elterngeld akut, weil Eltern diese Zeit nicht nur bei Krankheit des Kindes beanspruchen können, sondern bei jedem kurzfristigen Betreuungsbedarf – etwa für die Eingewöhnung in der Krippe oder Kita, für Einschulung oder wenn es wegen Fortbildung in Kita oder Schule keine Betreuung gibt.

Wir wollen eine Väterzeit einführen

Die Väterzeit ist eine ganz neue Idee. Ähnlich wie Mütter sollen auch Väter bei der Geburt ihrer Kinder Anspruch auf zwei Wochen Familienzeit bekommen. Die Väterzeit kann man anmelden, sobald die Mutter ins Krankenhaus kommt. Wir erleben ja, dass die Wege zu den Geburtskliniken weiter werden, Mütter sind oft schon einige Tage vor und dann natürlich auch nach der Geburt dort. Zuhause müssen aber oft Geschwisterkinder versorgt werden. Zudem wollen Väter auch die ersten Tage mit dem Baby bewusst erleben können. Dafür sollen sie nicht mehr Urlaub nehmen müssen. Die Väterzeit ist natürlich freiwillig. Niemand muss sie in Anspruch nehmen.

Wie finanzieren wir die neuen Leistungen für Familien

Das Familienpaket wird teurer, als der Betrag für die aktuellen Familienleistungen. Andererseits sparen wir auch Geld durch weniger Bürokratie. Finanziell ist das einer der Schwerpunkte der SPD. Alle Kinder in Deutschland aus der Armut zu holen, ist eine historische Aufgabe, die uns auch eine große Investition wert sein sollte.